Die Geschichte des Hauses wird weitergeschrieben
...auch wenn der Meniskus zwischendurch beleidigt ist
Vorher (1936) |
Nachher (2021) |
Das Elternhaus von Michael Kolb liegt am Rande von Garmisch-Partenkirchen. Vom Hof aus blickt man in die angezuckerten Ammergauer Alpen. Der 52-Jährige ist in diesem traditionellen Haus aus den 30er Jahren aufgewachsen, sein Vater wohnt noch immer in den unterdessen frisch sanierten vier Wänden, die wir im Folgenden etwas genauer unter die Lupe nehmen wollen.
Michael Kolb hat sich vor einigen Jahren entschlossen, das Haus energetisch zu sanieren und modernen Standards anzupassen, statt es abzureißen. Besonders hat seine Entscheidung die gute Bausubstanz (Bimsstein) beeinflusst, die er auch heute noch als erhaltenswert einstuft. Darum hat er vor gut fünf Jahren einen Energieberater engagiert, aus dem Bekanntenkreis die nötigen handwerklichen Kontakte rekrutiert, einen Bautechniker zeichnen lassen und den Baubeginn ausgerufen. Von 2019 bis 2020 wurde auf dem Gelände fleißig gewerkelt, bevor Vater Kolb die neu ausgebaute Wohnung im unteren Teil des Hauses beziehen konnte. Der zusätzlich geschaffene Wohnraum im Obergeschoss ist an zwei Parteien vermietet. Auf diese Weise konnte das Gebäude den Bedürfnissen seiner Eigentümer, die sich im Laufe der Zeit verändert hatten, hervorragend angepasst werden: Kolb Senior konnte sich altersgerecht räumlich verändern und einen modernen Wohnkomfort beziehen, ohne den Ort verlassen zu müssen, an dem er schon sein ganzes Leben verbracht hatte. Im Gegenzug wird der Umbau durch die Einnahmen der Mieter refinanziert und kein Wohnraum als Leerstand verschenkt. Das Konzept ist wohlüberlegt und zukunftsweisend, ökologisch und ökonomisch höchst sinnvoll und das Ergebnis ein ästhetischer Augenschmaus, dem es an Zeitgeschmack und Innovation nicht mangelt! Das Projekt animiert in vielerlei Hinsicht zum Nachahmen und ist daher im Rahmen des INTERREG Programm VI-A Bayern – Österreich 2021-2027 geförderten Projektes GO Altbau als Haus des Monats (März) von der Energiewende Oberland ausgezeichnet worden.
Bilder von den Umbaumaßnahmen
Abriss der alten Dachkonstruktion
Aufbau des neuen Daches
Projektdaten
Standort: | Garmisch-Partenkirchen |
Baujahr: | 1936 |
Sanierungsjahr: | 2019-2020 |
Förderprogramm: | KfW-Kredit 85 |
Sonstige Infos: | Mehrfamilienhaus |
Dämmung der Außenwand
Aufbau des neuen Anbaus
Aufbau der Dachdämmung
Es gibt viele Gründe für eine Sanierung!
Bei Michael Kolb war vor allem ausschlaggebend, dass aufgrund von innerfamiliären Veränderungen eine Entscheidung getroffen werden musste, wie es mit dem Haus der Familie weitergehen sollte. Das Gebäude war in die Jahre gekommen und wurde nur noch im Obergeschoß bewohnt, denn die Bedürfnisse der Bewohner hatten sich verändert. Also feilte die Familie an einem Konzept, das den veränderten Rahmenbedingungen gerecht werden konnte. Im Fokus standen dabei die Wünsche, an der guten Bausubstanz des Hauses festzuhalten, das traditionelle Erscheinungsbild des Gebäudes zu modernisieren und nicht zu revolutionieren sowie die Aufteilung der Wohnfläche an die neuen Bedürfnisse der Bewohner anzupassen. Hinzu kam, dass der Heizölverbrauch im 10-jährigen Mittel bei 2.350 Liter (entspricht etwa einem Wärmebedarf von 23.120 kWh) pro Jahr stand, was angesichts der gestiegenen Energiepreise und des wachsenden Umweltbewusstseins auch nicht mehr zeitgemäß erschien. Das Haus mit einer Gesamtwohnfläche von insgesamt 110 m2 wurde nur noch auf 55 m2 im Obergeschoß von einer Person bewohnt. Die unteren Stockwerke blieben auch in kalten Wintern unbeheizt, was der Substanz des Hauses keineswegs zugutekam. Nach der energetischen Sanierung und der Erweiterung der Wohnfläche auf 201 m2 bewohnen nun 4 Personen das Haus, das bis unters Dach beheizt wird. Nach der Sanierung zeigen die Bilanzen des Wärmeverbrauchs einen Mittelwert von 6.340 kWh (Betrieb Wärmepumpe + Ölheizung) pro Jahr für Heizung und Brauchwasser. Der restliche Energiebedarf wird durch die eigenen Anlagen (PV + WP) generiert.
Schematische Darstellung des Energieverbrauchs per anno
Modernisiertes Wärmekonzept
PV-Anlage auf dem Dach
Luft-Wärmepumpe hinterm Haus
Die guten Bilanzen kommen nicht zuletzt dadurch zustande, dass das Gebäude auch in Bezug auf die Hülle grundlegend modernisiert und insgesamt dem Standard eines KfW Effizienzhauses 85 angepasst wurde. Das gelang vor allen durch die Dämmung der erhaltenen Bimsstein-Außenwände, die mit 16 Zentimeter dicker Steinwolle aufgestockt wurden. Der Anbau des Hauses wurde mit Poroton Perlite Ziegeln errichtet. Die Kellerwände (Stampfbeton) wurden auf zwei Seiten bis 1,60 Meter und auf den anderen beiden bis 1,20 Meter tief mit Styrodur verstärkt. Das komplette Dach (Alt- und Anbau) wurde mit BauderPIR Polyurethan gedämmt. Außerdem wurden neue Fenster mit 3-fach-Verglasung und neuen, weißen Kunststoffrahmen verbaut.
Konkrete Maßnahmen
Außenwand: | WDVS (Wärmedämmverbundsystem) mit 16 Zentimeter Mineralfaser (Steinwolle) |
Fenster: | Neue Fenster (3-fach verglast), Kunststoffrahmen |
Speicher: | Ausbau Dachgeschoss (Aufdachdämmung mit Bauder PIR Polyurethan) |
Innenausbau: | Kompletter Neuausbau der Innenausstattung, Einbau Fußbodenheizung, Einbau dezentrale Lüftungsanlage (nur im Keller in Betrieb) |
Keller: | Außen: Perimeterdämmung mit 16 Zentimetern Dicke bis 1,20 m / 1,60 m tief |
Heizsystem: | Kombination aus Flächenheizung und Ölheizung (bald Holzheizung)
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Klima-Anpassung: | Einbau Regenwasserzisterne (4,5 m³) für Gartenbewässerung im Sommer |
Umbau: | Wohnfläche Bestand: 110m² → Wohnfläche nach Sanierung: 201 m² |
Nutzungsart: | Mehrfamilienhaus mit 3 separaten Wohneinheiten |
Detailbetrachtung
Im Zuge der Erneuerung der Heizanlage wurde auch eine neue Fußbodenheizung im gesamten Haus verlegt. Die Luft-Wärme-Pumpe in Kombination mit der PV-Anlage erhitzt den Vorlauf des FBH-Kreislaufes bis 35/38° Grad sowie das Brauchwasser auf 45° Grad. Das Heizschwert erwärmt die Temperatur im Pufferspeicher auf 80° Grad. Von Oktober bis April wird die gesamte Energie, die durch die PV-Anlage erzeugt wird, im eigenen Haus verbraucht. Sofern ein Überschuss gewonnen wird, wird dieser ins Netz eingespeist.
Bei Bedarf wird an kalten Tagen mit der alten Ölheizung zusätzlich Wärme erzeugt. Der alte Öltank im Keller (3.000 Liter) wurde durch eine kleinere Version (700 Liter) ersetzt. Doch auch der neue, kleine Öltank wird in naher Zukunft weichen und durch eine Holzscheitheizung ersetzt werden. Diese wird dann an die intelligente Technik der Heizanlage gekoppelt: Das Heizdisplay meldet, wenn der Holzofen zusätzlich angefeuert werden muss, weil die Kesseltemperatur unter einen zuvor programmierten Wert gefallen ist. Die Vorbereitungen für den Einbau der Holzscheitheizung wurden beim Umbau bereits mitgedacht:
Es sind Rohre für den zusätzlichen Heizkreislauf verlegt sowie Aussparungen in den Wohnzimmerfliesen für die Installation des Holzofens gesetzt worden. Beides ist auf den folgenden Bildern zu sehen:
Einblick ins Heizkreislauf-System
Aussparung für den zuküftigen Holzofen im Fußboden
Damit die Heizkörper im Badezimmer weiter betrieben werden können, hat der Bauherr einen separaten Heizkreislauf installieren lassen. ‘Das würde ich heute anders machen‘, verrät er uns später im Gespräch, denn der Aufwand lohnt sich eigentlich nicht, muss aber aufgrund der unterschiedlichen Vorlauftemperaturen gemacht werden. Auch die neu installierte Lüftungsanlage kommt in den bewohnten Geschossen nicht zum Einsatz. Kolb hat mit einem Hygrometer die relative Luftfeuchtigkeit überprüft und herausgefunden, dass nur im Keller Bedarf am Einsatz der dezentralen Lüftungsgeräte besteht. Ein Lüftungsgerät ist exemplarisch auf dem nächsten Bild zu sehen.
Dezentrale Lüftungsgeräte im Keller
Digitalanzeige der aktuellen Heizverteilung (inkl. der PV- und WP-Auslastung)
Rückblickend hätte Michael Kolb außerdem die PV-Module anders ausgerichtet, weil dort laut eigenen Angaben der Schnee im Winter zu oft liegen bleibt und nicht abrutschen kann. Baufehler blieben während des Sanierungsprozesses nicht aus, aber Kolb nimmt es sportlich. Er hat selbst einen nicht unbeachtlichen Teil an Eigenleistung mit in das Projekt gebracht und weiß, dass nicht jeder Tag fehlerfrei zu Ende gehen kann:
„Wer sonst nur im Büro arbeitet, sollte auf seinen Körper achten, denn der ist bei den Umbauarbeiten ziemlich schnell am Limit. Ich hatte erst einen Tennisarm und später noch einen beleidigten Meniskus.“
Täglich vor Ort zu sein rät Kolb all seinen Nachahmern allerdings doch, denn die Handwerker brauchen Input und ein bisschen Kontrolle, sonst funktionieren einige Dinge eben nicht wie gewünscht. Außerdem sei es natürlich ein schönes Gefühl, wenn die ‚sichtbaren‘ Sachen fertig werden, zb. der Dachstuhl, die Bäder, die Türen oder auch, als das erste Licht wieder an der Decke brannte, erzählt er weiter.
Kellerdämmung
Der ursprüngliche Balkon wurde vergrößert
Nachdem Michael Kolb akribisch die Liste der Arbeiten aufgezählt hat, die er selbst neben seiner Aufgabe als Bauleiter noch durchgeführte, kommentiert er überrascht (und zur Belustigung seiner Zuhörer):
„Verdammt, da fällt erst auf, wie viel man eigentlich selbst gemacht hat, wenn man das mal so zusammenträgt. “
Aber das Ergebnis kann sich sehen lassen: Michael Kolb vor dem Haus des Monats MÄRZ
Und er würde es immer wieder so machen, denn ein erfolgreiches Ergebnis bestätigen auch die Bilder des Thermografieberichtes, den der Energieberater Markus Kollmannsberger nach der Sanierung angefertigt hat.