Energetisch Sanieren und Dorfbild erhalten
Mit neuem Anstrich in die Gegenwart
Projektdaten: | |
Standort: | Benediktbeuern |
Baujahr: | 1902 |
Sanierungsjahr: | 07/2011 - 12/2012 |
Förderprogramme: | KfW-Kredit 85 Dorferneuerung KfW-Kredit für PV-Anlage |
Sonstige Infos: | kein Denkmalschutz |
NACHHER |
Es gibt etliche Eigentümer, die sich wie die Eheleute Maier im Laufe ihres Lebens vor folgendes Problem gestellt sehen:
“Ich habe ein Haus geerbt. Und jetzt?“
Rodja Majer ist gelernter Architekt und fasste mit seiner Frau, die eine wohlüberlieferte Geschichte mit eben jenem Familienerbstück verbindet, 2011 kurzerhand den Entschluss: Wir werden das Haus sanieren. Denn Traditionen reißt man nicht einfach ab. Man transformiert sie und holt sie mit neuem Anstrich in die Gegenwart. Gesagt, beschlossen, gemacht: Es dauerte nicht einmal zwei Jahre, bis von der Idee zur Finanzierung ein profundes Konzept entwickelt war und der Umbau beginnen konnte.
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Und weil die Entscheidung gegen den Abriss des 120 Jahre alten Hauses nicht nur voll im Trend liegt, klimafreundliches Denken und Handeln beweist, sondern darüber hinaus auch noch auffallend gut gelungen ist, wird das Haus der Familie Maier im Folgenden etwas genauer unter die Lupe genommen und anderen sanierungswilligen Zeitgenossen oder unentschlossenen Nachlassempfängern als positives Sanierungsbeispiel vorgestellt.
Zudem ist das Bauvorhaben im Zuge des Interreg geförderten EU Projektes GO Altbau von der Energiewende Oberland als “Haus des Monats“ ausgezeichnet worden und reiht sich damit in eine Serie von Bauprojekten ein, die über reichlich Nachahmungspotential verfügen.
Am Anfang steht das Konzept
Und das war sicherlich gar nicht so einfach zu beschließen, bedenkt man die vielen Faktoren, die Rodja Maier in seine Überlegungen miteinfließen lassen musste: Ein alter Kachelofen, kaum Kellerräume, ein höherer Flächenbedarf, da sich die Familie erweitern wollte, eine hübsche und damit erhaltenswerte Außenfassade, eine gute Bausubstanz sowie ein zu entsorgender 3.000 Liter Öltank.
„Es sollte immer individuelle Sanierungsfahrpläne für jedes individuelle Bauprojekt geben, weil jedes renovierungsbedürftige Haus nicht nur seine eigene Geschichte, sondern auch sein eigenes Gesicht mitbringt.“
Der gelernte Architekt, den die Materie natürlich auch thematisch interessierte, bildete sich zum Energieberater fort um sich selbstständig einen besseren Überblick über die Ausgangslage seines Sanierungsvorhabens verschaffen zu können. Schnell wurde ihm dabei klar, dass kein effizienter Heizungstausch ohne eine vollumfassende Sanierung gelingen könnte. Deshalb plante Rodja Maier eine Vielzahl – vor allem aber ein synergetisches Zusammenspiel – von Umbaumaßnahmen ein, die sein Haus an moderne Standards anpassen sollte, ohne dabei den originären Charme der Immobilie einzubüßen.
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Und das kommt nicht nur den Bewohnern des Einfamilienhauses zugute, sondern bewahrt auch ein urtümliches, regionales Straßen- bzw. Dorfbild.
„Sofern ein Haus nicht unter Denkmalschutz steht, kann eine gut geplante Vollsanierung nicht nur ein realistisches wie rentables Vorhaben darstellen, sondern am Ende auch die heimelige Atmosphäre und den unverkennbaren Charme eines alten Hauses bieten.“
Impressionen *Bestand Südseite und Dachboden*
Bestand Südseite |
Bestand Nordseite |
Die Umbaumaßnahmen, für die sich die Familie Maier bei ihrem hübschen Erbstück am Ende entschlossen umfassten unter anderem die komplette Renovierung des Innenausbaus und der sanitären Anlagen, eine Wohnflächenerweiterung, die Installation einer PV-Anlage, eine Gebäudehüllenerneuerung unter Erhalt der Außenfassade, ein durchdachter Heizungsaustausch und eine Nutzungsänderung des Öltanks (welcher nun als Regenwasserzisterne dient). Fragt man den Bauherrn heute, was er rückblickend anders machen würde, rät er zur gründlichen – wem möglich gar peniblen! – Analyse des Objekt Status-Quos. Außerdem sollte man keine Scheu vor dem Meer der Sanierungs-Möglichkeiten zeigen, denn: Je besser man informiert ist und je breiter man die Lösungsansätze aufstellt, desto besser wird das Ergebnis.
Impressionen *Bestand Nebengebäude und Bienenhaus*
Bestand Nebengebäude |
Bestand Bienenhaus |
Konkrete Maßnahmen
Außenwand: | WDVS (Wärmedämmverbundsystem) mit 14 Zentimeter Mineralfaser-Steinwolle |
Fenster: | Neue Fenster (2-fach verglast, weiße Holzrahmen neu lackiert) und neue Außentür |
Speicher: | Aufwendiger Ausbau: Sparrenverstärkung mit Holz, Verstärkung der Mittepfette (Stahl U-Profil), Dämmung (Holzfaser-Einblasdämmung) |
Innenausbau: | Komplette Erneuerung inklusiv neuer Grundrissaufteilung + Neue Sanitäreinrichtungen |
Keller: | “Kartoffelkellerdämmung“ mit Mineralwolle + neue Kellertür und neue Fenster |
Heizsystem |
|
„Ein altes Haus ist wie eine Schatzkiste: Man stolpert bei Ausräum- und Abrissarbeiten über altes, einzigartiges Mobiliar oder Putzschichten, die Einblicke in die geschmacklichen Vorlieben früherer Hausherren freigeben und kann bei guter Bausubstanz Gebäudeteile erhalten, deren Qualität ein Neubau kaum erreicht bzw. vom Bauherrn nicht zu finanzieren wäre.“
Impressionen *Dachausbau und Anbringung Wärmedämmverbundsystem (WDVS)*
Dachausbau - Trockenbau |
WDVS-Anbringen |
fertiges Dachgeschoss |
––> Maßnahmen zusätzlich
Klimafitte Anpassungen: | Installation einer Regenwasserzisterne zur Bewässerung der Gartenanlage + Anlegung eines Sickerschachts bei drohendem Überfluss + versickerungsfähiger Boden (Pflaster im Kiesbett) + alle Bäume konnten durch Umbau statt Neubau erhalten werden! |
Umbau: | Wohnfläche Bestand: 110 m2 → Wohnfläche nach Sanierung: 145 m2 |
Nutzungsänderung: | Ursprüngliches Waschhaus → Lager/Werkstatt (Kellerersatz) |
Nebengebäude: | Ursprüngliches Bienenhaus → Geräteschuppen/Lager |
“Ich würde auf jeden Fall wieder sanieren, da
ich unter keinen Umständen missen möchte,
in modernem Baustandard gepaart mit dem
Charme eines alten Hauses zu wohnen.“
– Rodja Maier, Bauherr –
Technische Daten: | |
Wärmedurchlasskoeffizient (U-Wert): | 2,8 W/m2K –> ? |
Aktuelle Heizkosten: | 1.000 - 1.200 € jährlich |
Detailbetrachtung: Vorher – Nachher
Durch die Sanierung hat das Haus eine Energieeffizienzklasse eines KfW Hauses 85 erreicht. Das bedeutet, dass das Haus den damaligen (2011), gesetzlichen, energetischen Mindeststandard eines Neubaus noch um 15 % übertreffen konnte. Das liegt unter anderem an dem deutlich gesenkten Energiebedarf durch den Umbau der Heizung und die Erneuerung der Gebäudehülle. Die Bestandswände aus Bachsteinen wurden durch ein Wärmedämmverbundsystem mit 14 Zentimeter dicken Mineraldämmplatten aufgestockt.
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Überdies wurde Lehm als Innenputzmaterial verwendet, was nicht nur für ein besseres Raumklima sorgt, weil Lehm die Feuchtigkeit aus der Raumluft effizienter aufnimmt als konventioneller Innenputz, er sorgt zusätzlich für einen gleichmäßigeren Temperaturerhalt, weil der Baustoff über eine große Speichermasse verfügt. Neue Fenster und Türen wurden installiert, die man in die Dämmebene setzte, um das Außenbild der Fassade zu erhalten. Hier ist es dem Bauherrn besonders wichtig, zu betonen, dass nach Süden ausgerichtete, große zweifachverglaste Fensterfronten im Winter eine kontinuierliche Erwärmung bei entsprechender Sonneneinstrahlung zur Folge haben, sodass der Transmissionswärmeverlust auch bei geringer Glasstärke gut ausgeglichen werden kann.
Impressionen *Einbau Regenwasserzisterne*
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Umsetzen Regenwasserzisterne
Besonderes Augenmerk darf noch auf das neu installierte Heizsystem gelegt werden, denn der alte Kachelofen mit Ölofeneinsatz sowie Holz- und Elektroboiler, die als Warmwasserversorgung dienten, wurden durch ein aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel mehrerer Komponenten ersetzt. Der mittig im Haus angelegte Kachelofen wurde erneuert, blieb aber als zentrales Heizelement erhalten. Durch ihn wird an kalten Wintertagen zusätzlich Wärme gewonnen, um die an diesen Tagen auf Hochtouren laufende Wärmepumpe zu entlasten bzw. zu unterstützen. Durch die Installation einer Wassertasche im neuen Kamin kann die Abwärme des Ofens genutzt werden um das Heizungswasser zusätzlich zu erwärmen und so den Energieaufwand zu senken. Die Wärmepumpe wird durch 2 x 80 Meter tiefe Erdbohrungen betrieben und bei ausreichend Sonnenlicht energetisch durch die PV-Anlage unterstützt.
Man muss es wollen...
Eine Sanierung ist viel Arbeit und nicht immer ein Zuckerschlecken. 1,5 Jahre hat der Bauherr insgesamt mit dem Bauprojekt verbracht, was in etwa die Zeitspanne darstellt, die er auch eingeplant hatte. Gute zehn Jahre später schwärmt er noch immer vom Charme und dem einzigartigen Raumklima seines Hauses, welches ein Neubau in dieser Form wohl kaum zu bieten hätte:
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„Bei einer Sanierung macht man Kompromisse. Aber es lohnt sich! Die Baufirmen aus der Nachbarschaft hatten viel Spaß am Umbau. Sie kannten das Haus und haben es gerne mitsaniert. Die Stimmung war toll. Die Handwerker haben sich gegenseitig Geschichten erzählt und waren nicht böse, wenn wir mal wieder Pläne umgeschmissen haben, weil so ein Projekt eben nicht im Vorfeld von vorne bis hinten durchgeplant werden kann. Manche Idee kommt einem erst bei der Umsetzung“,
berichtet Rodja Maier. Und mit diesem Satz verabschiedet sich der Bauherr und schließt die Tür zu seinem charmanten, modernisierten Wohnhaus hinter sich.
Impressionen *Anbringung Lehm-Innenputz*
Impressionen: *Südseite des sanierten Hauses*
Ansicht: Südseite |
Rodja Maier vor seinem "Haus des Monats" |
„Sanieren bedeutet kreativ sein, improvisieren, Umnutzungen anstreben und flexibel bleiben. Und das wiederum bringt vor allem Spaß und positive Herausforderung für alle Beteiligten “
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Neugestaltung des Waschhauses