Wie können sich Kommunen auf Starkregenereignisse vorbereiten?

Starkregen-Ereignis in der Gemeinde Polling im Jahr 2016 und die seitdem durchgeführten Maßnahmen

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Eine Verkettung von außergewöhnlichen Phänomenen führte dazu, dass das Jahr 2016 in Bayern als Hochwasserjahr in die Geschichte eingehen wird. Aufgrund einer außergewöhnlichen Wetterlage, die sich ungewöhnlich lange über Mitteleuropa hielt, bildeten sich mehrfach Unwetter mit vielen ortsfesten Gewitterzellen mit hoher Intensität. Viele Gemeinden erfuhren den Katastrophenfall durch langanhaltende Niederschläge und Überschwemmungen. So auch die Gemeinde Polling. 

Martin Pape, erster Bürgermeister der Gemeinde Polling, war als Feuerwehrler im Einsatz mit dabei und berichtet im Video von seinen Erfahrungen mit den Starkregenereignissen von 2016.

Tipps für Kommunen im Oberland aus der Erfahrung von der Gemeinde Polling:

  1. Prüfen Sie, ob für Ihre Kommune ein Integrales Konzept für Sturzflutrisiko-Management sinnvoll ist. Mehr Informationen zum Sonderprogramm des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz finden Sie hier.
  2. Erhöhung des Durchflusses: Reinigen und pflegen Sie Bäche und Gräben regelmäßig, damit im Ernstfall Wassermassen ohne Hindernisse schnell abfließen können.
  3. Sorgen Sie für genügend Rückhalteflächen, um das Wasser von Ortslagen fernzuhalten.
  4. Durch die Etablierung eines Frühwarnsystems mittels Pegelmessungen und / oder Warn-Apps können frühzeitig mögliche Gefahren erkannt und Vorkehrungen getroffen werden.
  5. Planen Sie eine Informationskette. Schnelle Informationsweitergabe im Ernstfall kann Schäden reduzieren oder sogar verhindern.
  6. Denken Sie an eine Dokumentation im Schadensfall. Fotodokumentationen und Drohnenaufnahmen helfen im Nachgang, das Ereignis zu analysieren und notwendige Maßnahmen davon abzuleiten.

Weitere wertvolle Tipps zu Präventionsmaßnahmen finden Sie hier.

Was ist 2016 in Polling passiert?

Im Juni 2016 führe die Großwetterlage Tief Mitteleuropa mit den Tiefdruckgebieten „Elvira“ und „Friedericke“ zu gebiets- und zeitweisen unwetterartigen Starkregenfällen. Eine dieser großen Regenzellen stand über mehrere Stunden in unmittelbarer Nachbarschaft und führte dort zu Niederschlägen von etwa 80 mm in 24 Stunden (Station Eberfing). Dies führte zur Übersättigung der gesamten umliegenden Flächen. 

Zusätzlich wiesen die Vorfluter, die aus den umliegenden Gemeinden in den Tiefenbach in Polling fließen, stark erhöhte Pegel auf. Die Wassermengen des sonst so beschaulichen Bachs III. Ordnung konnten vom wasserübersättigten Land nicht mehr aufgenommen werden. Es kam zur großräumigen Überflutung - Straßen und Keller liefen voll Wasser. THW, Feuerwehr, Bergwacht unterstützen mit ihren Einsatzkräften die Gemeinde.

Abbildung 1

Quelle: Bayerisches Landesamt für Umwelt (2017): Sturzfluten und Hochwasserereignisse Mai/Juni 2016 – Wasserwirtschaftlicher Bericht

Welche Maßnahmen wurden nach dem Starkregen-Ereignis 2016 ergriffen?

Schon schnell nach dem Ereignis wurden durch die Gemeinde Sofortmaßnahmen eingeleitet. Der Einsatz wurde von der Bergwacht mit Drohnen begleitet, um das Ausmaß der Überschwemmung einschätzen zu können, und im Nachgang die Schwachstellen zu erkennen. Durch die Analyse der Überschwemmungsereignisses wurde klar, dass ein Maßnahmenpaket für die Gemeinde Polling auf den Weg gebracht werden sollte.

  1. Integrales Hochwasserschutz- und Rückhaltekonzept am Tiefenbach
    Das Konzept diente als Grundlage für bauliche und strukturelle Maßnahmen, die zum Teil bereits umgesetzt wurden – zum Teil noch in Planung sind.

    Abbildung 1

    Quelle: https://www.ib-kokai.de/hochwasserschutzplanungen-fuer-polling/

  2. Erhöhung des Durchflusses
    Die regelmäßige Säuberung der umliegenden Gräben stellte sich als überaus effektiv heraus, und wird seither regelmäßig vorgenommen.
    An verschiedenen Stellen wurden Schütze eingebaut, durch die gezielt die Fließgeschwindigkeit und der Flussquerschnitt gesteuert werden kann. Im Fall einer Unwetterwarnung können die Schütze händisch geöffnet werden, um den Wassermassen ein schnelles Abfließen durch den vergrößerten Querschnitt zu ermöglichen.

  3. Rückhalteflächen
    Nur durch den Wegtransport des Wassers können Starkregenereignisse in einem Ausmaß von 2016 nicht abgepuffert werden. Zusätzlich muss das Wasser, bevor es in die Nähe der Ortslage kommt, zurückgehalten werden. Als geplante Retentionsfläche entschied sich die Kommune für den sogenannten „Pollinger Dschungel“, der als ehemaliger Torfstich viel Potenzial birgt, um Wasser zurückzuhalten. Durch gezieltes Schließen von Schützen vor der Ortslage soll bei Hochwasserwarnung die Fläche als Wasserrückhaltebecken genutzt werden.
    Wichtig bei der Planung der Maßnahme war Martin Pape, sich frühzeitig mit den Anwohner*innen in Verbindung zu setzten und die Pläne mit ihnen abzustimmen. Denn der Schutz von Menschen, Tieren, Hab und Gut verstehe er als Gemeinschaftsaufgabe, bei der alle zusammenhelfen müssen, um größere Schäden zu verhindern.

  4. Frühwarnsystem
    Die Schütze können über ein Netz an Pegelmessungen in umliegenden Gemeinden und vor Ort geregelt werden. So schließen sie automatisch, wenn umliegende Pegel steigen, um gezielt Flächen als Wasserrückhalteflächen zu nutzen, oder öffnen, um den Durchfluss zu erhöhen.
    Die Information der Pegelmessungen gehen zeitgleich an Bauhof und Feuerwehr. Für die Einschätzung der Gefahrenlage werden zusätzlich Meldungen der gängigen Warn-Apps herangezogen.
Hat das Ereignis das Bewusstsein für Starkregen verändert?

Nach Angaben des wasserwirtschaftlichen Berichts von 2017 wurden etwa 45 Häuser beschädigt, zahlreiche Keller - auch außerhalb des Überschwemmungsgebietes – liefen aufgrund des hohen Grundwasserspiegels voll Wasser. Der Schaden wird nach Einschätzung des Landratsamtes auf einen mittleren siebenstelligen Betrag beziffert (LfU 2017).

Durch die direkte Betroffenheit sind die Bürgerinnen und Bürger von Polling sensibler geworden. Sei es, dass mehr Leute Warn-Apps für ihr Handy nutzen, oder dass weniger wertvolle Dinge im Keller gelagert werden. 

Was Sie selbst als Bürgerin oder Bürger des Oberlands tun können, um für den Ernstfall in Ihrem Haushalt gerüstet zu sein, erfahren Sie in unserem Video „Die drei Irrtümer bei Starkregenvorsorge im Oberland“.

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