Bürgerstiftung Energiewende Oberland
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v.l.n.r.: Josef Kellner (Vorstandsvorsitzender EWO), Stefan Drexlmeier (Leiter der Geschäftsstelle EWO), Marina Waldmann (Hochschule München), Karl Pirker (Hochschule München), Hubert Mangold (Bürgermeister Gemeinde Schwaigen-Grafenaschau), Titan Götz (Hochschule München), Maximilian Rogers (Hochschule München), Simon Kozlowski (Hochschule München)
Im Sommersemester 2017 führten Studenten der Hochschule München im Rahmen eines interdisziplinären Seminars eine Studie für die Gemeinde Schwaigen-Grafenaschau durch. Die Energiewende Oberland brachte sich als Projektpartner ein und begleitete fünf Studenten bei der Erarbeitung einer Studie für ein Energiekonzept der Gemeinde.
Das erklärte Ziel der EWO ist es, dass das Oberland sich bis zum Jahr 2035 selbstständig mit erneuerbaren Energien versorgen kann.
Vor diesem Hintergrund bestand die Aufgabenstellung darin, exemplarisch ein Energiekonzept für die öffentlichen Liegenschaften einer kleinen Gemeinde im Oberland - der Gemeinde Schwaigen - zu erstellen. Die Gemeinde sollte fähig sein, sich zu 100 % selbst, ausschließlich mit erneuerbaren Energien mit Strom und Wärme zu versorgen. Dieses Energiekonzept soll als Anregung für weitere Gemeinden im Oberland dienen, und somit einen kleinen Teil zum Klimaschutz beitragen.
Die Energiewende ist in Deutschland durch das gesetzte Ziel des EEG 2014, bis 2050 80 % des Bruttostromverbrauchs durch erneuerbare Energien zu decken schon mal in die richtige Richtung gelenkt. Die Energiewende Oberland hat sich hier allerdings ein noch höheres Ziel gesetzt. Bis 2035 soll das Oberland zu 100 % aus erneuerbaren Energien versorgt werden. Nach dem Motto der EWO "Global denken - Lokal handeln" wurde am Beispiel Schwaigen ein System geplant, welches mit derzeitiger Technologie einen 100-prozentigen Autarkiegrad (bzgl. Strom und Wärme) möglich macht und dabei ausschließlich auf erneuerbaren Energien beruht.
Voraussetzungen für das Projekt sind ein lokales Nahwärmenetz und ein frei nutzbares Stromnetz.
Das Projektteam, bestehend aus Studierenden der Fachrichtungen Erneuerbare Energien - Elektrotechnik, Energie- und Gebäudetechnik und Bauingenieurwesen, hat beispielhaft für die Gemeinde Schwaigen ein Konzept erstellt, wie und mit welchen Komponenten die öffentlichen Gebäude autark mit Strom und Wärme versorgt werden können.
Die folgenden Punkte wurden dabei bearbeitet:
Autarkie Wärmeversorgung: | 40 % BHKW 60 % Wärmepumpe |
Autarkie Stromversorgung: | 48 % PV 25 % Redox-Flow-Batterie (gespeichert aus PV) 27 % BHKW |
Mit Hilfe unseres Systems wäre es nun möglich, die Gemeinde Schwaigen ausschließlich mit erneuerbaren Energien zu 100% autarkmit Strom und Wärme zu versorgen.
Die drei Gebäude, das Rathaus, der Dorfladen und das Feuerwehrhaus sind durch ein Nahwärmenetz, sowie durch Stromleitungen miteinander verbunden. Hiermit kann überschüssige Wärme, oder überschüssiger Strom, von einem zum anderen Gebäude abgegeben werden, weshalb sie vereinfacht als eine Einheit betrachtet werden können.
Die Gebäude sind zugleich Verbraucher und Erzeuger. Verbraucher, da sie Strom und Wärme beziehen, Erzeuger, da sie durch die montierten Photovoltaikanlagen Strom generieren.
Der generierte Strom wird in das gemeindeinterne Stromnetz gegeben. An diesem angeschlossen sind zwei Speicher: einmal der Redox-Flow Speicher und einmal die Power-to-Gas Station. Außerdem gehört noch die Wärmepumpe sowie das BHKW dazu.
Die Wärmepumpe wird durch Strom betrieben und erzeugt aus einem Teil Strom, vier Teile Wärme.
Das BHKW ist ein Generator, der durch Verbrennung Strom und Wärme zugleich erzeugt. Üblicherweise werden BHKWs mit Gas betrieben. Eine neue Technologie ermöglicht jedoch auch die Umwandlung von Holz. In der Gemeinde Schwaigen ist dies durchaus sinnvoll, da sie über große Holzressourcen verfügt.
Die erzeugte Wärme wird direkt zum Beheizen der Häuser verwendet, während der erzeugte Strom einmal die Wärmepumpe versorgt und außerdem den Strombedarf der Gebäude deckt.
Im Folgenden werden links die Wärmeversorgung und rechts die Stromversorgung betrachtet. Zuerst die Jahresbilanzen, dann eine graphische Darstellung der interessantesten Winter- und Sommerwoche. Zuletzt werden die gewählten technischen Anlagen näher erläutert.
Die farbliche Kodierung der Graphen ist durchgängig und stimmt mit dem Systemkonzept überein, sodass jederzeit aus einer Grafik gelesen werden kann, woher oder wohin die Energie (Strom oder Wärme) fließt.
Unser Fazit zum Projekt "autarkes Schwaigen" fällt auf jeden Fall positiv aus. Die Kommunikation innerhalb der Gruppe und mit den Coaches funktionierte ohne Probleme. Auch bei Fragen an unseren Praxispartner hatten wir keine Probleme, Herr Drexlmeier und Herr Kellner waren schnell zu erreichen und begleiteten uns sowohl bei der Besichtigung Schwaigens als auch in einer Teambesprechung.
Nach drei Monaten ist das Projekt nicht nur uns Studenten, sondern wohl auch Bürgermeister Mangold ans Herz gewachsen. Wir freuen uns, bei einem abschließenden Besuch in Schwaigen (Juli oder August 2017) unsere Ergebnisse mit Fachplanern vor Ort zu besprechen. Bürgermeister Mangold zeigte sich bei der Abschlusspräsentation äußerst begeistert, sodass wir hoffen, dass ein Teil unseres Projekts tatsächlich umgesetzt wird.
Bei diesem Besuch werden wir jedoch nochmal ausdrücklich auf die noch offenen Fragen des Projekts hinweisen. Der von uns ermittelte Strom- und Wärmebedarf besteht aus Mangel an konkreten Werten auf Schätzungen. Die Annahme, dass das öffentliche Stromnetz genutzt werden darf, ist heute noch Zukunftsmusik, genauso wie die angenommene Redox Flow Batterie (derzeit sind die Preise noch höher) und das BHKW (bisher gibt es noch kein Modell, das klein genug ist). Bei der Wirtschaftlichkeitsrechnung bestehen große Unsicherheiten, der Fall des Anlagenausfalls wurde hier nicht betrachtet.
Bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung wurden über die Laufzeit Kosten und Einnahmen gegenüber gestellt.
Die Kosten setzen sich aus Investitionskosten (Preis und Einbau der technische Geräte/Anlagen, Planungskosten, etc.) und den Betriebskosten (Kosten für die Instandhaltung, Holz, Versicherung, etc.) zusammen. Diese Werte werden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft eher geringfügig ändern, mit Ausnahme der Kosten für eine Redox-Flow-Batterie, hier wurde ein Prognosenpreis verwendet.
Die Einnahmen bestehen aus Einnahmen aus dem Stromverkauf, dem Verkauf von Emissionszertifikaten (jedoch unwesentlich gering) und den fiktiven Einnahmen aus gesparten Kosten für Heizöl und Strom. Diese Werte sind für die Zukunft schwer vorherzusehen, deshalb stellt die Graphik zwei Szenarien dar: das erste Szenario geht von einer konventionellen Heizölpreissteigerung von 3% aus, was zu einer Amortationsdauer von 31 Jahren führt. Im zweiten Szenario wurde jedoch die Prognose von EnergyComment (der Heizölpreis steige jährlich um 6%) angenommen, womit das Projekt schon nach 22 Jahren wirtschaftlich würde.
Annahmen und Randbedingungen der Berechnung sind:
Die Einnahmen aus Power to Gas (P2G) wurden bewusst nicht in die Wirtschaftlichkeitsberechnung mitaufgenommen. Erstens ist der Bau einer P2G-Anlage nur optional und wurde nicht in der Projektausschreibung gefordert. Zweitens hat die Technologie derzeit noch ein großes Entwicklungspotential, und aktuelle Kosten werden aller Wahrscheinlichkeit nach in den nächsten Jahren stark sinken.
Zusammenfassend können wir sagen, dass es bestimmt Projekte mit mehr Rendite gibt. Manche Dinge lassen sich jedoch monetär schlecht bewerten, so können die neu gewonnene Autarkie und auch der Umweltschutz einer Gemeinde durchaus etwas Wert sein.
Bei der Technologie Power-to-Gas kann aus überschüssigem Strom Gas erzeugt werden.
Das so gewonnene Gas kann als Langzeitspeicher für eine Rückverstromung oder auch als Ressource für andere Zwecke (z. B. Autoverkehr, Heizungen, Chemieindustrie usw.) verwendet werden. Ab einem Anteil an erneuerbaren Energien von 60 % Prozent und mehr benötigt man Langzeitspeicher. Power to Gas ist nach heutigem Stand der Technik wohl der beste Langzeitspeicher um saisonale Fluktuationen der Energieversorgung auszugleichen.
Bei Power-to-Gas wird in einem ersten Schritt Wasser (H2O) durch Elektrolyse in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) aufgespalten. In einem weiteren Schritt kann durch einen chemischen Prozess aus dem Wasserstoff, mit Hinzugabe von Kohlenstoffdioxid (CO2) Methan (CH4) hergestellt werden. Dies wird mit dem exothermen Sabatier-Prozess, 1902 von dem französischen Chemiker Paul Sabatier entwickelt, realisiert.
Power-to-Gas ist bisher zwar wirtschaftlich noch nicht übermäßig rentabel aber technisch absolut realisierbar, wie durch die Pionierarbeit einer 2009 gebauten 25 kW Anlage des ZSW (Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden Würtemberg) gezeigt werden konnte. Ab einem höheren Anteil erneuerbarer Energien und damit einhergehender günstiger Stromüberschüsse werden sich Power-to-Gas Anlagen in Zukunft auch wirtschaftlich durchaus immer mehr rentieren. Fachübergreifende Informationen zu P2G werden u. a. auf http://www.powertogas.info/ zur Verfügung gestellt.
Durch die 100-prozentige Versorgung der öffentlichen Gebäude der Gemeinde Schwaigen fällt sehr viel Strom aus Sonnenenergie an, welcher aber nicht direkt in der Gemeinde verbraucht werden kann. Denn bei der Gewinnung von elektrischer Energie aus PV gibt es starke tageszeitliche und saisonale Fluktuationen. So wird an Sonnentagen mittags ein Vielfaches von dem Strom generiert, der für den täglichen Bedarf benötigt wird. Ein Teil hiervon kann für die nächsten Tage im Batteriespeicher zwischengespeichert werden. Über intelligente Systeme könnte auch ein Teil der Energie in Wärme- oder Kühlsysteme gespeichert werden. Tägliche und wöchentliche Fluktuationen könnten so besser ausgeglichen werden. Ebenso könnte man zusätzliche Verbraucher wie z. B. Elektroautos die durch den überschüssigen Strom geladen werden anschließen. Diese Methoden können z. T. mit einem sehr guten Wirkungsgrad angewandt werden. So könnte der Anteil der Versorgung durch Sonnenenergie noch erhöht werden.
Andererseits wird so zwar im Sommer der überschüssige Strom mit einem höheren Wirkungsgrad gut genutzt. Im Herbst und Winter ist ein solcher Überschuss dann aber nicht mehr vorhanden und es muss auf zusätzliche Energiequellen zurückgegriffen werden um den Bedarf zu decken.
In Schwaigen ist die Energiequelle des saisonalen Ausgleichs das regional und forstwirtschaftlich verantwortungsbewusst abgebaute Holz. In anderen Gemeinden, aber vor allem auch in Städten und Metropolen kann der ergänzende saisonale Bedarf nicht durch Holz versorgt werden. Wenn man eine Energiewende im überregionalen Maßstab realisieren möchte, hin zu einer Versorgung aus 100 % erneuerbaren Energien, muss man sich Gedanken über Langzeitspeicher machen, die saisonale Fluktuationen ausgleichen können.
Gemeinden wie Schweigen sind gut beraten das regional vorhandene Holz zu nutzen. Für die Zukunft ist ein sinnvoller Verwendungszweck der dort produzierten Stromüberschüsse Power-to-Gas.
Die Menge der Stromüberschüsse (36 KWh/a), die nach unseren Modellannahmen in Schwaigen im Laufe eines Jahres allein mit der Belegung der Dachflächen der drei Gebäude produziert werden könnten, entsprächen mit einem Wirkungsgrad von 50% (Strom - Gas), der Hälfte der benötigten Energiemenge für die Betreibung des BHKWs.